Bohnensymphonie
EIN REZEPT OHNE REIS FÜR ACHT PERSONEN
Der Wind treibt sein Spiel mit ihm. Ein zartes Spiel, doch der kleine Komolze™ bemerkt nichts davon. Während er in seiner Hängematte sanft hin- und herschaukelt und eine große behaarte Fliege interessiert sein rechtes Nasenloch inspiziert, wirken in seinem Geiste wüste Träume.
Ein honiggelber Hoigone kletterte soeben auf einen grünen Telefonmast, um mit den Fischen telepathisch Kontakt aufzunehmen, doch nun trägt der kleine Komolze™ eine heftige Tortenschlacht mit der Hexe Esmeralda aus. Der Kampf ist komplett in Blau und Grün gehalten, was die Sahne etwas eklig erscheinen läßt. Während der kleine Komolze™ darüber nachdenkt, ob wohl Schokoladenraspeln und Kräuterschmelzkäse geschmacklich miteinander harmonisieren könnten, wird er von einer dreistöckigen Hochzeitstorte direkt im Gesicht getroffen.
Als hätte er Augen im Mund kann er verblüfft mit ansehen, wie eine nicht unwesentliche Menge der grünen Tortenmasse zwischen seinen silbernen Lippen hindurchquillt und seine heilige Zunge benetzt.
In diesem Moment wechselt die große haarige Fliege ihre Standbeine.
Mit der Intensität eines berstenden Spiegels breiten sich die ersten Klänge einer geschmacklichen Symphonie im Konzertsaal seines Bewußtseins aus. Ein erster sämiger Akkord versetzt die Luft in Schwingungen. Sanft erklingen perlende Töne von Harfe und Glockenspiel. Es ist, als ließe man eine zarte Hülsenfrucht zwischen den Zähnen zerplatzen. Da setzt ein starkes dominierendes Cello aus Knoblauch im Herzen des Orchesters ein. Während sich die Geigen langsam emporschwingen, ertönt von rechts eine Solo-Querflöte wie eine glibberige Zwiebel. Und eine speckige Bratsche gesellt sich harmonisch dazu. Die erste Geige schmeckt nach Kräutern und führt das Orchester immer weiter, einem omniphonischen Klimax entgegen.
Die große haarige Fliege überlegt gerade, wie sich ihr barockes Sofa an der Nasenscheidewand machen würde.
Berauscht bittet der kleine Komolze™ nach einem Gewitter aus Applaus den Dirigenten, dessen Teint irgendwie an einen Brühwürfel erinnert, um die Partitur. Der eitle Maestro reicht ihm jovial ein Exemplar - nicht ohne es zuvor signiert zu haben. Gebannt starrt der kleine Komolze™ auf die schwarzen Notenköpfe, die sich vor seinem inneren Auge zu einem Rezept formieren:
"Man nehme" , steht da,
"3 große Dosen weiße Bohnen
3 große Dosen Kidneybohnen
8 Zwiebeln
8 Knoblauchzehen
4 Pakete Tulip-Bacon (ersatzweise eine entsprechende Menge geräucherten Speck)
ca. 4-6 Brühwürfel
Pfeffer
Herbes de Provence
Öl
kräftiges Graubrot dazu."
"Allerdings", so überlegt sich die große haarige Fliege, "müßte der Eingang der Höhle mit einem Vorhang versehen werden."
"Zunächst bedecke man den Topfboden großzügig mit Öl, das man darauf leicht erhitze. Die Zwiebeln schneide man in halbe Ringe, den Knoblauch in feine Scheiben und den Bacon in kurze Streifen. All das brate man unter gelegentlichem Rühren leicht an. Derweil würze man es mit Pfeffer und Kräutern der Provence. Wenn die Zwiebeln gar sind füge man den gesamten Inhalt der Dosen sowie die zerkrümelten Brühwürfel hinzu und lasse alles auf sanfter Flamme eine Viertelstunde ziehen. Von Zeit zu Zeit sollte vom Kochlöffel gebrauch gemacht werden. Den fertigen Eintopf genieße man rustikal mit einer kräftigen Scheibe Graubrotes."
In einem euphorischen Taumel taucht der kleine KomolzeTM auf an die Oberfläche der Realität und beschließt, seinen Traum wahr werden zu lassen. Behend fällt er aus seiner Hängematte, landet auf einem Moospolster, rappelt sich wieder auf und beschließt, ein paar Freunde zum Essen einzuladen.
"Ich werde ihnen kochen, wovon ich geträumt habe" , denkt er, "und für Esmeralda mache ich eine dreistöckige Torte..."