1000jährige Eier
Für acht riechende Hühnerkinder
Esmeraldas Geburtstag stand bevor und bereitete dem kleinen Komolzen™ fürchterliche Kopfschmerzen. Tausendjährige Eier! Ausgerechnet Tausendjährige Eier wünschte sie sich als Geburtstagsessen. Und das nur wegen der Halloween-Sonderausgabe der Neuen Okkulten Monatszeitung. Dort hatte es nämlich in einem Bericht geheißen, daß Tausendjährige Eier gut für den Teint seien und das Warzenwachstum begünstigten. Beim Durchstöbern der Speisekammer stellte der kleine Komolze™ fest, daß das älteste Ei in seinem Vorrat laut Legestempel vom letzten Samstag stammte. Gerade mal fünf Tage! Bei der Eierfrau gab's ohnehin nur frische Eier, und auch eine Anfrage bei den Zwergen Mirdochegal blieb erfolglos, wenngleich deren Suche ein Stück Ziegenkäse beträchtlichen Alters zu Tage förderte, das unter dem Stapel unbezahlter Rechnungen eingequetscht war. Auch bei Patomomo dem Mächtigen hatte der kleine Komolze™ keinen Erfolg. "So'n Schweinkram hab ich nicht, und machen kann ich's auch nicht. Für gerontologische Thaumaturgie gibt es einfach keinen Markt... Aber probier's doch mal beim kleinen gelben Wauin-Wok, der hat doch alles, was eklig ist."
Der kleine gelbe Wauin-Wok wohnte am Ostufer des Krötenweihers. In lauen Sommernächten konnte man die bunten Lampions vor seinem Laden vom anderen Ufer aus sehen. Trotz der Idylle näherte sich der kleine Komolze™ nur langsam und mißtrauisch, da sich viele Legenden um den Laden entwickelt haben, zum Beispiel über den todbringenden rohen Fisch. So war er sich nicht mehr sicher, ob er auf seine Frage wirklich eine Antwort haben wollte...
"Du nehmen Eiel, einfach einbuddeln, dann spielen Kostolany - einfach velgessen - dann Ulenkel buddeln wiedel aus - leckel liechende Hühnelkindel!"
Dem kleinen Komolzen™ wurde ganz anders. Ihm blieben die Worte im Halse stecken, und so wurde er wehrlos und panisch gestikulierend Zeuge, wie Wauin-Wok einige ovale Dinge aus einer Kiste mit Erde ausbuddelte und stolz auf den Tresen legte. Als Wok mit begeistertem Grinsen von Jahrgangseiern zu sprechen begann und in verstaubten Regalen nach fremdartig beschrifteten Holzkisten griff, suchte der kleine Komolze™ das Weite. Nein! Soetwas wollte er partout nicht anbieten.
Zu Hause zermarterte er sich dann bei einer Problemanalyse den Kopf. Er wußte was Tausenjährige Eier waren und er wußte, daß er sie nicht wollte. Esmeralda wußte, daß sie Tausendjährige Eier wollte, wußte jedoch nicht, was das ist. Die Gleichung war +w1 - (+w2) = +w2 + (-w1) oder so ähnlich. Das Ergebnis war jedenfalls, daß er wußte was er nicht wollte und Esmeralda nicht wußte was sie wollte. Und genau hier lag die große Chance. Er konnte etwas eigenes kreieren. Wichtig war nur, daß er Eier verwendete, und daß die Zubereitung etwas okkult angehaucht war. Seiner Inspiration folgend bemächtigte er sich folgender Zutaten:
16 möglichst frische Eier - heute gegessen, morgen gelegt
Salz, ca. 6 EL Essig
2 Gläser Senf
½ Paket Butter
3 Becher Sahne
1-2 EL Zucker
1 kg Reis
Die Eier schlug er einzeln vorsichtig in seine Kelle und tauchte sie behutsam ins kochende Wasser eines kleineren Topfes, welches er zuvor mit Salz und Essig gewürzt hatte. Wenn ein Ei in der Kelle stockte, ließ es es ganz in den Topf gleiten und nahm das nächste Ei.
Als Beilage kochte er Reis. Besonders okkult, dachte sich der kleine Komolze™, würde sich eine Mostrich-Sauce dazu machen. In seinem schweren gußeisernen Topf schmolz er daher vorsichtig die Butter, rührte Senf, Sahne und Zucker dazu und erwärmte das Ganze dann ohne es zu kochen.
Vier Wochen später ging bei der Neuen Okkulten Monatszeitung ein Leserbrief von einer gewissen "Esmeralda (Hexe)" ein. Die Dame beschwerte sich mit deutlichen Worten über die fachliche Inkompetenz des Redakteurs für Kosmetik und angewandte Esoterik.