Zauberwald Verlag

Verzauberter Nasenfisch

oder Selleriesuppe für 8 hungrige Seewölfe

„Rückenschwimmende Kongowelse! Kauft frische Rückenschwimmende Kongowelse!“ „Quappen, schöne junge Quappen!“ „Saugnäpfe, alle Größen!“ „Quastenflosser, im Dutzend billiger!“

Es war der wöchentliche Fischmarkt am Krötenweiher. Die Sonne brachte das Aroma der feilgebotenen Waren voll zur Geltung. Hier kam nur her, wer Fisch wollte oder Tracheenatmung betrieb. Der kleine Komolze™ bahnte sich mühsam seinen Weg zwischen Beinen, Fischköpfen und Kisten mit Zitteraalen, über ihm die weißen Gesichter der Fischverkäufer und die blaßgrünen der Kundschaft. Es war Freitag und sollte Fisch geben. Der erste Händler, mit dem er ins Gespräch gekommen war, hatte Krustentiere auf Algenbett empfohlen, aber den kleinen Komolzen™ überzeugte das ebensowenig, wie der Flossensalat aus dem Sonderangebot des Nachbarstandes. So schlenderte er weiter, gelegentlich angeglotzt von trüber werdenden Augenpaaren der Auslagen.

Einen Moment lang liebäugelte er mit einer Gruppe schillernder Lippfische - doch: was dazu? Oder Lungenfisch in Vakuumverpackung? „Falscher Seehase...“ ging ihm durch den Sinn, aber das hatte es gerade vor zwei Wochen gegeben, und Esmeralda konnte es nicht ausstehen. Just in diesem Augenblick rutschte der kleine Komolze™ auf einer verlorengegangenen Maischolle aus, überschlug sich zweimal und landete in einer Kiste mit großen Fischen, die merkwürdige Auswüchse zwischen ihren toten Augen hatten.

„Ah, wie ich sehe interessieren sie sich für die Nasenfische!“ kam eine Stimme von irgendwo über ihm. „Eine ausgezeichnete Wahl! An ihrer Zielstrebigkeit erkennt man den Feinschmecker. Möchten sie die ganze Kiste? Darf ich sie ihnen einpacken?“

komfischKurz darauf stand der kleine Komolze™, nicht sicher was eigentlich geschehen war, mitten auf dem Marktplatz, und hielt mühsam vier große Nasenfische im Arm. Es war nicht ganz einfach, diese seltsame Last bis zu der Hütte unter der großen Esche zu befördern, und der kleine Komolze™ mußte immer wieder anhalten um zu verschnaufen. Zuhause angekommen legte er die glibschigen Monster auf den Tisch und grübelte darüber nach, was er bloß mit ihnen anfangen sollte. Aber wie er es auch drehte und wendete, er kam zu dem Schluß, daß er nie und nimmer die ganzen vier Fische auf einmal verzehren konnte. Die aufkeimende Idee, zwei der Fische in der Speisekammer zu lagern, unterdrückte er schnell. Aufgrund der sommerlichen Wärme würde das wohl nicht lange gutgehen. Er war mit seiner Weisheit am Ende.
Aber gerade für diese Lebenslagen sind schließlich Freunde gut. Und so klemmte der kleine Komolze™ seine Fische erneut unter den Arm und machte sich auf den Weg zu Patomomo dem Mächtigen. Dieser war als großer Meister der arkanen Künste über die Grenzen des Zauberwaldes hinaus bekannt und würde sicher eine Lösung wissen.

„Ich würde einen einfachen Konservierungszauber empfehlen!“ war der schnelle Rat des Magiers, nachdem dieser mit gerümpfter Nase die problematischen Objekte begutachtet hatte. „Das sind Fische, mit ‘nem einfachen kommste da nich weit!“ mischte sich eifrig die zufällig anwesende Hexe Esmeralda (die schon immer eine Abneigung gegen maskulines Besserwissertum hatte) ein.
„Aber den Versuch wäre es wert.“ sagte der Meister, mit zusammengezogenen Augenbrauen.
„Nein, nein, nein, nein, nein! Das hält nich. Du brauchst mindestens die doppelte Einwirkungsdauer und grüne Kerzen!“ 
„Türkis, meine Liebe, türkis.“ (mit erhobenem Zeigefinger).
„Grün, türkis, auf die Länge kommt es an.“
„Es ist nicht die Länge, meine Liebe, sondern die Technik, die zählt!“
„Technokrat!“
„Hexe!“
„Ja! Und ich bin stolz darauf!“

So ging die dogmatische Diskussion noch eine ganze Weile weiter. Schließlich wurde irgendwo ein lila Pentagramm aufgemalt und türkise Kerzen in allen möglichen Längen und Formen plaziert. In die Mitte legte man die Nasenfische und Patomomo begann zu einigen eindrucksvollen Gesten thaumaturgische Formeln zu murmeln.
„So ein Blödsinn. Dreimal ‘Potzblitz und Schwefelschnauze’ würde vollkommen genügen, du Anfänger!“, machte sich Esmeralda bemerkbar.
Patomomo, aus der Konzentration gerissen, fauchte sie an: „Halt den Schnabel, du brotköpfige Xantippe, es entgleitet mir!“
„Was du nich sagst. Das liegt aber an deinen Kerzenstummeln!“
„Was ist aus meinen Fischen geworden?“, rief der kleine Komolze™ mit einigem Entsetzen in der Stimme, worauf der Streit augenblicklich verstummte. Anstelle der schlanken, eleganten Fischkörper lagen inmitten des Pentagramms nur noch vier häßliche kindskopfgroße Knollen. 
„Sellerie“, sagte der kleine Komolze™ fast hysterisch, „und dafür habe ich den Gestank des Marktes ertragen. Das habt ihr ja toll hingekriegt.“ „Sellerie“, sagten Patomomo und Esmeralda im Chor, erfüllt von tiefer Betroffenheit. Nach einem Moment der Stille sprach der kleine Komolze™ mit vorwurfsvollem Blick: „Dann gibt es eben Selleriesuppe. Ihr habt es euch selbst zuzuschreiben.“ Sprachs, nahm die Knollen und ging.

Zuhause sammelte er die Zutaten auf seiner eichernen Arbeitsplatte.

4 kindskopfgroße Sellerieknollen
3 Zwiebeln
eine Knoblauchzehe
250 g Butter
ca 2 Liter Brühe
ca 6 Eßlöffel Mehl
Muskat, Salz, Pfeffer (möglichst weißer)
2 Eigelb
etwas Sahne
für die Hackklößchen:
1 kg Hack
1 Ei (komplett)
Curry, Salz, Pfeffer
Öl

Dann machte er sich gleich an Werk. Er schälte den Sellerie und schnitt ihn in kleine Würfel mit 1,624cm Kantenlänge. Die Zwiebeln schnitt er in halbe Ringe, und den Knoblauch hackte er klein. Von der Butter nahm er fünf Eßlöffel ab, legte sie beiseite und briet mit dem Rest Zwiebeln und Knoblauch an. Dann gab er den Sellerie dazu und briet ihn unter gelegentlichem Umwälzen goldgelb. Anschließend füllte er mit Brühe auf und ließ die Suppe köcheln.

Währenddessen hatte er das Hack mit Salz, Pfeffer, Curry und einem Ei verknetet, zu Bällchen geformt und im Öl locker angebraten. Die fertigen Hackbällchen ließ er in die Suppe gleiten und mitkochen.

Als Hack und Sellerie gar waren bereitete er in einem Kochgeschirr eine Mehlschwitze. Er ließ die beiseitegelegte Butter (4-5 EL) flüssig werden, gab dann ca 6 EL Mehl hinzu und rührte wie ein Derwisch. Nach einer Weile war das Mehl „gar“, und der kleine Komolze™ gab, weiter rührend, eine Tasse voll Suppenwasser hinzu. Das ganze schüttete er dann zurück in den großen Topf, rührte noch etwas Sahne hinein und schmeckte mit den Gewürzen ab. Zum Schluß gab er die zwei Eigelb in die Suppe, wobei er kräftig rührte, um ein Gerinnen zu vermeiden.

„Wenn dies die Strafe für schlechtes Zaubern sein soll,“ bemerkte später Patomomo der Mächtige beim gemeinsamen Mahle, „dann will ich fortan ein Stümper sein.“
„Biste doch eh schon. Aber wenn dies das Ergebnis ist, dann hat es doch was Gutes.“